Friedensgruppe Harburg Land -
Friedensinitiative Ramelsloh e.V.
Friedensblätter
No. 34 August 2001
Harry
Fisher: Spanien im Herzen
von Klaus
Lübberstedt
Für Harry Fisher,
für uns alle, die wir heute immer noch den Traum einer solidarischen
Welt von morgen bewahren und das unsrige heute dafür tun.
Spanien
im Herzen
Für mich unglaublich - Harry Fisher, ein mir unbekannter
US-amerikanischer Spanienkämpfer, ist mit 90 Jahren in Deutschland auf
Tour, um sein Buch „Comrades“ vorzustellen.
Ich
fühle mich zutiefst verpflichtet, durch meine Anwesenheit spät, aber
hoffentlich nicht zu spät, ihm, der mich nicht kennt und allen, die
für Spaniens Freiheit (1936-1939) und vor allem zur Verhinderung des
drohenden Weltkrieges durch den deutschen und internationalen
Faschismus ihre materielle Existenz, Gesundheit und Leben riskierten
und gaben meinen Dank zu bezeugen.
Da sitzt er nun vor mir aus den USA/New Jersey kommend, gestern in
Berlin zur Erstvorstellung seines Buches und heute hier in Hamburg !
Unfassbar, dass ich ihn jetzt im Jahr 2001 noch erleben darf. Harry,
schlank, gerade, bekleidet mit einem grün-beige-karierten Baumwollhemd
wie ein Farmer, darüber seine braun-graue, brav aussehende Wollweste
und einer einfachen Jeans. Schlohweißes fast volles Haar, ein Hörgerät
im rechten Ohr, die fast randlose relativ große Brille vor den blauen
hellwachen Augen und ein sehr, sehr freundliches, aufmerksames helles
Gesicht.
Er
fühlt sich verpflichtet, vor uns aufzustehen, sein Gesicht strahlt uns
an. Mit klarer fester Stimme sind seine ersten Worte:
„Wunderbar vor deutschen Antifaschisten stehen zu dürfen“. „Es
ist schwierig, mich an die Gefühle von damals zu erinnern“ und wieder
„es ist wunderbar, hier zu sein“.
Er
erzählt, dass er – der er auch Jude sei - die Deutschen viele Jahre hasste, alle Produkte aus Deutschland für ihn tabu waren. Deutsche und
Nazis waren für ihn gleichbedeutend. Sein Sohn John (der ihn mit der
Schwiegertochter begleitet) löste bei ihm helles Entsetzen aus, als er
sich in den USA einen VW kaufte. Es war ein später, erst wenige Jahre
alter Erkenntnisprozess, von seinem jahrelangen Fehler Abstand zu
nehmen.
Er
habe einsehen müssen, dass nicht alle Deutschen Nazis seien, ebenso
wenig wie alle US-Amerikaner Schuldige für die Kriegsverbrechen der
USA in Vietnam und im Kosovo seien.
Er
berichtet uns, dass von den 40.000 Interbrigadisten (aus 50 Ländern)
in Spanien 3000 US-Amerikaner
waren; genannt „Lincolns“ (Angehörige des US-amerikanischen Bataillon
der XV. Internationalen Brigade, benannt nach Abraham Lincoln), von
denen nur noch etwa 100 leben, viele in Pflegeheimen und
Krankenhäusern zwischen Mitte und Ende 80 Jahre alt, die immer noch
aktiv „kämpfen für ein besseres Land und eine bessere Welt“. Ihnen und
den nicht mehr Lebenden, die ihr Leben in Übereinstimmung mit ihren
Idealen führten, hat er dieses Buch mit zu verdanken und für sie hat
er es geschrieben.
Neben diesen gab es auch wenige negative Ausnahmen unter den
Interbrigadisten, deren Taten und Verhalten er im Krieg Zeuge war.
Diese Erinnerungen trug er ein halbes Jahrhundert in sich und mochte
sie keinem erzählen, um das Ansehen der Interbrigaden nicht zu
beschädigen. Seine Kinder , denen er sich spät anvertraute, ermutigten
ihn dazu, ein ehrliches Buch zu schreiben und diese Vorkommnisse zu
erwähnen.
Er habe ein Antikriegsbuch schreiben wollen und wörtlich “Krieg ist
niemals etwas Herrliches, niemals ein Abenteuer, Krieg ist im wahrsten
Sinne des Wortes die Hölle“.
Es
hätte wohl keine gerechtere ehrenhaftere Sache als die unserige in
Spanien geben können. Aber auch in einer noch so edlen Form ist der
Krieg ein Grauen, das der Menschheit nichts als Elend bringt. Und so
stehe ich vor der Frage: „Welches ist das größere Übel – Faschismus
oder Krieg?“.
Die Antwort für mich war und ist: Faschismus. Das soll nicht heißen, dass Krieg ein akzeptables Mittel ist, das Problem des Faschismus zu
lösen. Im Jahre 1937 war es vielleicht die einzige Lösung ...“
Dann
liest er aus unterschiedlichen Abschnitten seines Buches, z. B.:
+ von
seiner Teilnahme als Kaufhausangestellter an Streiks, Hungermärschen,
Antifaschistischen Aktionen, zur Zeit der Weltwirtschaftkrise in New
York und Umgebung (selbst erlebte Geschichte, die uns meist total
unbekannt ist aus dem anderen unendlich kreativen Amerika der
zwanziger und dreißiger Jahre).
+ von
der Vorbereitung und der Überfahrt zum Einsatz im Spanischen
Bürgerkrieg auf der “Ile de France“, 3. Klasse, alle ausgestattet mit
ganzen 5$ und dem gleichen Pappkoffer, abgerissenen Kleidern und doch
den US-Regierungsagenten (die ihre Teilnahme am Krieg noch auf der
“Ile de France“ verhindern wollten - weil die US-Regierung eine
Teilnahme am Krieg gegen Francos faschistische Truppen allen
Amerikanern verboten hatte) erzählend, dass sie nach Europa in die
Alpen zum Skilaufen fahren.
+ von
seinen Erlebnissen und unbeschreiblichen Ängsten in den Schlachten in Brunette und am Jarama, dem Rückzug usw.
In der anschließenden Diskussion steht Harry zur Beantwortung jeder
Frage auf, erzählt unter anderem von seinem
unendlichen Hass auf den Faschismus, dass in
den USA Henry Ford und andere großes Interesse hatten, Hitler zu
unterstützen, berichtet, dass 70% der
amerikanischen Freiwilligen Kommunisten waren, davon 30% jüdischer
Herkunft und dass sie 100.000 Freiwillige hätten mobilisieren können.
20-30% der Amerikaner hätten ihren Job verloren, ganz viele
waren arm. Vor allem Arme und Arbeitslose
aber auch Reiche gingen nach Spanien, um den Faschismus zu bekämpfen
und die durch ihn drohenden Kriege zu verhindern.
Der militärische Dilettantismus bei den „Leadern“ der
Interbrigaden resultierte daraus, dass sie Pazifisten waren.
Mit
großer Hochachtung sprach er von Oliver Law, der als erster schwarzer
Amerikaner überhaupt Kommandant war – sein Vorgesetzter bei den
amerikanischen Interbrigadisten. Er starb am 9.7.1937, weil er seinen
Kameraden Vorbild sein wollte, am 4. Tag als Kommandant. Er hatte 6
Jahre bei der US-Armee gedient. Die meisten besaßen keine militärische
Erfahrung. Sie waren gekommen, um der Regierung zu helfen, nicht um in
erster Linie eine sozialistische Regierung zu installieren“.
Ernest Hemingway hat sie oft besucht und versprochen, über sie zu
schreiben; was raus kam: “... ist nicht die Geschichte des Spanischen
Bürgerkrieges“. Um nach dem Krieg wieder in seine Heimat zurückkehren
zu können, musste er in Paris amerikanischen Beamten seinen Paß
aushändigen. Erst 30 Jahre später erhielt er wieder einen
Paß!.
Harry erzählt davon, dass viele nach ihrer Rückkehr in die USA wegen
konstruierter Delikte verurteilt wurden. Verfrühte Antifaschisten so
lautete der Vorwurf gegenüber den amerikanischen Spanienkämpfern.
Mir
fällt dazu ein, dass alle Deutschen, die illegal (Grundlage war ein
Geheimabkommen zwischen Hitler und Franco) in der Legion Condor waren
(die als erste überhaupt in der Geschichte systematisch grausame
Bombenagriffe gegen die Zivilbevölkerung durchführte und auch die
baskischen Stadt Guernica zerstörte), für die Zeit in Spanien aufgrund
eines Gesetzes aus dem Jahre 1953 (!!) doppelte Rentenanwartschaften
erhielten und diese noch heute aus unseren Steuergeldern oder
Rentenversicherungsbeiträgen finanziert als Pensionen oder Renten
genießen.
Harry Fisher ist nicht stolz auf sein Land, das immer wieder kleine
Länder angreift, nie freiwillig große. “Die USA mussten in den Krieg
gezwungen werden“. (er meint den 2.
Weltkrieg)
Er berichtet auch, dass es heute viele faschistische Gruppen in den
USA gibt.
Dann
stellt er fest, dass die deutsche Ausgabe seines Buches “Comrades“
gelungener als die amerikanische ist, sie enthält nicht nur wesentlich
mehr Fotos, mehrere Lieder der Lincolns und anderer Interbrigadisten
sondern auch ein Lied seines Sohnes John. Pete Seeger, der großartige
US-amerikanische Musiker (der sicherlich vielen älteren Lesern der
Friedensblätter noch aus den 60er und 70er Jahren bekannt ist) schrieb
ihm das Vorwort zu diesem Buch, wo er u. a. sagt: “Sie die Mehrheit
der sechs Milliarden Menschen unserer Erde haben verstanden, dass die
Abschaffung der Waffen auf unserem Planeten eine der großen Aufgaben
des 21. Jahrhundert ist.
Der internationale Gedanke ist heute überall.
Und der Heldenmut der Internationalen Brigaden ist unauslöschlich.
Eine Welt oder keine Welt!
Viva la Quince Brigada!”
Erschienen ist die deutsche Ausgabe - übersetzt von Ulrich Kolbe -
in der “Bibliothek des Widerstandes“, die von der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten
(VVN-BdA)
herausgegeben wird.
“Comrades“ von Harry Fisher, Pahl Rugenstein Verlag Nachfolger GmbH,
Bonn 2001, ISBN 3-89144-284-x, 248 Seiten für DM 36,--.
Immer
lehnte ich die Signatur von Büchern durch die Autoren als Personenkult
ab. In diesem Fall aber bat ich den bescheidensten und wohl auch
allgemein unbekanntesten Autor, der mir bisher begegnet ist, um ein
Autogramm in seinem Buch für mich.
„To Klaus, peace Harry
Fisher“ schrieb er.
Ich verstehe es als Botschaft und Wunsch für uns alle.
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